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Bestimmt habt ihr als Kinder auch Sandkuchen geformt. Ich hoffe es jedenfalls für euch, denn das ist eine tolle Sache. Und noch toller ist es, wenn ihr auch ein Stück davon probiert habt. Dass ihr also nicht nur so getan habt, als ob ihr abbeissen würdet, sondern so richtig, so dass der Sand zwischen euren Zähnen geknirscht hat. Damit habt ihr nämlich an euren Leadership-Fähigkeiten gearbeitet.

Ihr fragt euch, wie das zusammenhängt? Das will ich euch erzählen …

 

Sehr vernünftig

Wenn Kinder solche Sachen machen, die die Erwachsenen für verrückt halten, dann tun die Kleinen eigentlich etwas sehr Vernünftiges: Sie gehen ihrem ureigenen Forscherdrang nach.

Kinder haben von sich aus eine grosse Affinität zum Lernen. Schaut euch Babies an: Die ziehen sich hoch und plumpsen wieder hin. Hundert Mal und mehr – und ziehen sich trotzdem immer wieder hoch. Die wollen einfach Laufen lernen – ganz freiwillig. Keine Mama, kein Papa, kein Lehrer muss ihnen sagen: „So, liebes Kind, jetzt ist die Zeit für eine Lerneinheit zum aufrechten Gang.“ Die machen einfach und zwar genau zu der Zeit, in der sie dazu bereit sind.

Nur in diesem Forscherdrang hindern die Erwachsenen die Kinder immer mehr. Heute rufen die Eltern schon vorsorglich den Krankenwagen, wenn das Kind das Sandkuchenstück noch nicht einmal im Mund hat.

Wir durften das wenigstens noch. Und doch sind auch wir, die wir heute die Erwachsenen sind, durch etliche Stufen der Beschneidung unseres Forscherdrangs gegangen …

 

Leadership-Schule?

Spätestens in der Schule wurde uns vorgeschrieben, wann wir was zu lernen hatten. Und wenn wir nicht bis zum Tag der Klassenarbeit kapiert hatten, wie diese oder jene Formel heisst, dann waren wir eben zu blöd. Und wenn ihr immer etwas vorgesetzt bekommt, das ihr erreichen müsst, werden viele eurer persönlichen Facetten verdrängt – auch solche, die euch zum Leadership befähigen.

Unser Bildungssystem ist im Moment noch auf Konformität angelegt: Oben wird bei allen dasselbe eingefüllt. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn unsere Innovationskraft nachlässt. Denn dann kommt unten immer dasselbe raus.

Doch es geht auch anders …

 

Lust auf Lernen

Inzwischen gibt es eine Menge Ansätze, diese schulische Gleichschaltung zu sprengen. Ein grossartiges Konzept hat zum Beispiel eine Schule in Holland, in der die Schüler weder Klassen noch Klassenzimmer oder Lehrpläne kennen. Dort gehen sie davon aus, dass alle Schüler Lust haben zu lernen. Deshalb gibt die Schule nicht die Teaching-Verhältnisse vor, sondern stellt nur den grossen Raum und die Zeitfenster, in dem die Kinder selbstständig, nach ihren eigenen Vorstellungen und in wechselnden Gruppen in Projekten oder Workshops lernen können. 

Oder seht euch Liza Goldberg an: Ihre Eltern haben bewusst darauf verzichtet, das Mädchen in irgendwelche Schulprogramme zu pressen, sondern haben ihr den Raum gelassen, den sie brauchte. Sie hat selbstständig eine App entwickelt, mit der ihr die Zerstörung der Mangroven-Wälder mitverfolgen könnt. Daraufhin ist die NASA auf die 16-Jährige aufmerksam geworden und hat sie zur Mitarbeit eingeladen.

Da tut sich was, die nächste Generation erobert sich den Forschergeist zurück – wie auch  Jamila Tressel. Sie äussert sich in einem Interview wie folgt: „Ich habe mich nur über meine Noten definiert, die einfach nichts über mich aussagen. Ich habe nicht gelernt, weil ich auf den Stoff Lust hatte, sondern weil ich Angst hatte. Dieses Lernen war anstrengend, hat mir nicht viel Spaß gemacht und mir nicht so viel gebracht. Und da bin ich nicht die Einzige. Man muss nur schauen, wie viele Schüler krank oder unzufrieden sind. Mir ging's genauso. Ich hatte oft Probleme, Halsschmerzen, Bauchschmerzen. Die waren komischerweise immer weg, wenn ich nicht an Schule gedacht habe oder ich nichts dafür machen musste. Ich habe irgendwann die Schule gewechselt, weil ich mit dem Leistungsdruck nicht mehr gut klarkam. Ich war dann an einer Schule in freier Trägerschaft mit besonderem Konzept und habe erlebt, dass Schule eben auch ganz anders sein kann. Dort hatten wir Fächer wie „Verantwortung“ und „Herausforderung“. Einmal in der Woche mussten wir uns zum Beispiel für mindestens zwei Stunden sozial engagieren. Dabei haben wir konkret gelernt, Verantwortung zu übernehmen.“

Die heute 20-Jährige hat bereits mit 14 Jahren ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet: „Wie wir Schule machen: Lernen, wie es uns gefällt“.

 

Freiraum gegen Verblindung

Es geht mir ja nicht darum, dass wir die Kinder einfach nur sich selbst überlassen – Anregungen sind wichtig, Impulse sind wichtig, einen grossen Rahmen vorzugeben ist wichtig. Doch innerhalb dieses Rahmens muss Freiraum sein für die eigene Entfaltung.

Und wir, die wir alle durch diese Grundkonditionierung durch Elternhaus, Kindergarten, Schule, Ausbildung und/oder Studium gegangen sind: Für uns ist es wichtig, dass wir auch die Facetten an uns wieder entdecken, die in der Konformität unserer Erziehung verloren gegangen sind. Die sind ja dadurch zum Glück nicht weg – sie sind nur verschüttet, so dass wir sie selbst nicht mehr sehen. Wir sind richtiggehend blind dafür.

 

Reaktivierung

Das beobachte ich auch im Mentoring immer wieder: Ich nehme Facetten an meinem Gegenüber wahr, derer er/ sie sich überhaupt nicht bewusst ist. Und wenn ich den Eindruck habe, dass für diese Menschen der richtige Zeitpunkt ist, diese Facette zu reaktivieren und ihn darauf aufmerksam mache, dann durchlebt der eine echte Überraschung. Auf einmal kann er den nächsten Schritt in seiner Entwicklung tun, an dem er vorher vergeblich gearbeitet hat.

Und das meine ich, wenn ich sage, dass Sandkuchen gut für die Entwicklung von Leadership-Fähigkeiten ist: Ihr könnt noch so viele Führungsmethoden lernen – solange ihr mit euch nicht im Lot seid, solange ihr die entsprechenden Facetten eurer Persönlichkeit nicht (wieder-)entdeckt und entwickelt, wird euch echtes Leadership schwer fallen.

Deshalb macht euch mutig auf Entdeckungsreise zu euch selbst – und lasst eure Kinder Sandkuchen essen, wann, wo und wenn sie es wollen.

 

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